In diesem Post fasse ich die wichtigsten meiner Beobachtungen und Einschätzungen meines diesjährigen Aufenthalts in der Schule AFA zusammen.

Maria mit ihrer Enkelin auf der noch nicht fertig gebauten Terrasse

Nach dem Besuch zusammen mit meinen Eltern, Manuela und Verena – beides Vorstandsmitglieder – bin ich alleine eine weitere Woche bei der Schulleiterin Maria in Manaus geblieben. Maria wohnt in der gleichen Strasse, in der auch die AFA liegt und lädt mich zum Übernachten jeweils zu ihr nach Hause ein – ich brauche also weder ein Hotel noch Airbnb. Ich habe immer ein eigenes Zimmer, was bei einem meiner früheren Besuchen dazu geführt hat, dass Maria, ihr Mann, ihr erwachsener Sohn, ihre Schwägerin und ein fast erwachsener Adoptivsohn im gleichen Zimmer geschlafen haben. Ich hatte ein solch’ schlechtes Gewissen damals, aber Marias Gastfreundschaft kennt keine Grenzen.

Das Haus von Marias Familie ist einfach, aber im Vergleich zu den umliegenden Häusern schon fast luxuriös. Vor allem sind sie seit Jahren daran, das Haus zu erweitern. Es geht nur sehr langsam voran. Immer wenn etwas Geld zur Verfügung steht, wird etwas gemacht. Das Ziel ist es, einen Hausteil zu vermieten, um etwas Nebeneinkünfte zu generieren.

Das Esszimmer in Marias Haus

Es ist für mich immer sehr wertvoll, Zeit vor Ort zu verbringen. Nur so kann ich mir ein echtes Bild von der aktuellen Situation machen und erkennen, wo auch die Schwierigkeiten stecken. Gleichzeitig nutze ich den Moment, um mich so viel wie möglich mit allen Frauen auszutauschen. Auch ein paar Einkäufe oder grössere Anschaffungen, die unser Verein dann direkt finanziert, stehen normalerweise auf dem Programm. Dieses Mal habe ich mit Maria zusammen Schul- und Büromaterial gekauft, mit dem Vorstand zusammen Hygieneartikel und Putzmaterial. Und da in dieser Woche gerade die Klima- und Alarmanlage repariert wurden, haben wir das direkt über den Verein finanziert.

Letzte Sitzung des Teams im Schuljahr 2019

Das Stadtviertel

Das Stadtviertel Zumbi II hat in den letzten Jahren viele kleine Geschäfte dazu gewonnen. Da es sehr schwierig ist, auf dem Arbeitsmarkt eine Stelle zu bekommen, versuchen viele Bewohner selber etwas aufzubauen z.B. mit einer Bäckerei, einer Fahrradwerkstatt, einem Kleiderladen oder einer Schneiderei. Ansonsten hat die Armut objektiv leider nicht abgenommen. Es wirkt vor allem noch schmutziger als früher. Stinkende Bäche, die sich bei Regen zu richtigen Flüssen entwickeln, zeichnen beide Strassenseiten und überall liegt Abfall herum. Einzelne Häuser in der Strasse der AFA wurden vergrössert oder verschönert. Viele haben sich jedoch kaum verändert. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass auch die brasilianische Gesellschaft sehr stark konsumorientiert ist. Etwas mehr Einkommen wird schneller in elektronische Geräte als in bessere Wände investiert. Und wer meint, dass in solchen Gegenden aufgrund der Kostenfrage sehr schonend mit Wasser und Elektrizität umgegangen wird, liegt leider falsch. Die meisten Häuser besitzen illegale Anschlüsse und so haben diese Ressourcen überhaupt keinen Wert.

Die Strasse Chico Mendes. Weiter unten auf der linken Seite befindet sich die AFA.

Die Schule AFA

Was sich allerdings nicht verändert hat, ist die Schule AFA. Sie ist nach wie vor top organisiert und strahlt vor Sauberkeit und Ordnung. Die Kinder kommen sehr gerne und es macht unglaublich Freude, dem Unterricht und den Aktivitäten zuzuschauen. Leider kommt es während dem Schuljahr zu relativ vielen Abgängen und Wechseln in den Klassen, da die Familien umziehen oder die Kinder nicht mehr bringen können bzw. wollen (vor allem am Morgen, da die Bezugspersonen selber nicht genug früh aufstehen). Bei regelmässigen Familienbesuchen wird versucht, den Erwachsenen klarzumachen, wie wichtig ihre Kollaboration für die Schulbildung der Kinder ist. Meistens hat diese Erinnerung jedoch nur einen kurzfristigen Effekt. Mit Maria habe ich aus diesem Grund beschlossen, dass die Familien, die im nächsten Schuljahr ihre Kinder regelmässig bringen, am Ende des Jahres eine kleine Belohnung bekommen. Wir werden sehen, ob das eine Verbesserung bringt.

Am Montagmorgen wird zusammen die Nationalhymne gesungen.

Einen Teil der Kinder hat sich bereits fürs neue Schuljahr eingetragen, doch die Lehrerinnen werden Anfang Januar in der Gemeinschaft unterwegs sein und vor allem bei den sehr armen Familien auf die AFA hinweisen. Die Registrierung der Kinder erfolgt sehr seriös. Für jedes Kind wird eine Akte angelegt mit einer Kopie der amtlichen Dokumente, Geburtsausweis etc. und vor allem mit einer Beschreibung der Lebenssituation. Wie wohnt das Kind? In welchen Verhältnissen? Mit wie vielen Personen? Wer sind die Bezugspersonen und was verdienen diese? Zu Beginn des Schuljahres wird jedes Kind von der Lehrerin beurteilt und im Laufe des Jahres wird die Entwicklung festgehalten. Die meisten Schüler und Schülerinnen der AFA verbessern sich danke den Nachhilfestunden in Mathematik und Portugiesisch spürbar in der öffentlichen Schule, welche sie entweder am Morgen oder am Nachmittag neben der AFA besuchen. Dieses Feedback bekommt die AFA nicht nur von den Eltern, sondern auch von den öffentlichen Schulen selber.

Das Team

Im AFA Team wird es ein paar personelle Wechsel geben im neuen Schuljahr. Wie überall gibt es auch hier ab und zu Schwierigkeiten, die zu Veränderungen führen. Ein Beispiel ist die Lehrerin Ruth, welche im letzten Jahr in der AFA das Sekretariat zuständig war. Sie ist eine Altbekannte der AFA und hatte früher bereits einmal in der Schule gearbeitet. Im letzten Jahr war ihre Arbeit und ihr Engagement aber offenbar nicht zufriedenstellend. Beeindruckend ist, wie solche Probleme von Schulleiterin Maria direkt, offen und doch sehr emotional behandelt werden. An der Abschlusssitzung wurde die Situation und die Konsequenz – Ruth wird die AFA verlassen – ohne jegliche Filter von Maria auf den Tisch gelegt. Ruth war auch dabei. Das Feedback von Maria war zu 100% ehrlich im Negativen sowie im Positiven. In einem zweiten Teil hat Maria Ruth für ihre Treue und die Unterstützung, welche sie ihr vor allem in schwierigen Momenten in der Anfangsphase der AFA gegeben hat, gedankt und dabei stark geweint. Diese offene und ehrliche Kommunikation sehe ich als ein zentrales Element der AFA. Das unterstreicht die Kultur, schafft Vertrauen und hilft die Qualität des ganzen Projekts sicherzustellen.

Frauenpower 😉

Das Nähatelier

Neben dem Nachhilfeunterricht hat das Nähatelier einen festen Platz in der AFA erhalten. Seit Kurzem arbeiten sie mit einer Frau namens Monica Abreu zusammen, welche in einem grossen Shopping Zentrum in Manaus einen Laden hat. Sie nähen für sie verschiedenen Arten von Accessoires zusammen. Dazu erhalten sie alle Einzelteile bereits zugeschnitten. Abgerechnet wird pro fertigem Accessoire, der Lohn liegt zwischen 10 Rp bis ca. 1 CHF pro Stück. Je nach Grösse und Form. Sie werden zwar nicht reich mit diesen Aufträgen, doch wer rasch vorwärts kommt, kann durchaus etwas dazuverdienen. Inzwischen haben sich zwei der Lehrerinnen auf Kredit bei Maria (wird dann in monatlichen Raten direkt vom Lohn abgezogen) eine eigenen Nähmaschine gekauft. Das hilft ihnen, auch am Abend und am Wochenende zu nähen. Das Ziel der AFA fürs Nähatelier im nächsten Jahr ist es, noch andere Aufträge zu erhalten und noch mehr Frauen aus der Gemeinschaft einzuspannen. Es soll ja schliesslich nicht nur dem eigenen Team neue Einnahmemöglichkeiten eröffnen. Aktuell kommen nur etwa 5 externe Frauen regelmässig.

Im Nähatlier wird fleissig gearbeitet, aber auch viel geschwatzt und gelacht.

Das Weihnachtsfest

Am diesjährigen Weihnachtsfest hat es während ca. 2 h Aufführungen von den Nachhilfeklassen wie auch von der Ballet-, der Tanz- und den Capoeiraklassen gegeben. Ballet und Tanz wird Marias Schwiegertochter Thuane geleitet, die Capoeirastunden gibt ein professioneller Capoeiralehrer einmal die Woche auf freiwilliger Basis. Die Aufführungen der Nachhilfeklassen haben Tanz, Gesang und Unterricht miteinander verbunden. Die Lehrerin Ana hat mit ihrer Klasse ein Theater vorgespielt mit einer Kakerlake und einer Tigermücke als Hauptdarsteller. Das Theater war eine Art Präventionskampagne und die Hauptbotschaft war, man soll das Haus sauber halten und stehendes Wasser verhindern, um Krankheiten wie Dengue vorzubeugen. Das Weihnachtsfest hat nicht nur uns aus Vorstand gefallen und uns sehr berührt. Es war ein richtiges Gemeinschaftsfest, alle kamen herausgeputzt und in in ihrer schönsten Garderobe. Nie im Leben würde man glauben, dass diese Menschen in sehr einfachen Unterkünften leben. Am Schluss gab es für alle Gäste noch “Cachorro quente” bzw. Hotdogs, salziges Gebäck und Schokoladenkuchen.

Lehrerin Thuane mit ihrer Klasse